Leider wurde dieser Leserbrief von der AZ nicht gedruckt, dennoch wollen wir ihn an dieser Stelle teilen:
Sehr geehrte Frau Schmidt, sehr geehrte Redaktion der AZ,
der Ton, mit dem in den Medien über die Corona-Infektion der Reisegruppe der Behindertenseelsorge Mainz berichtet wird, stimmt traurig. Von einem „Debakel“ schreibt der SWR, die Bildzeitung gar von einem „Corona-Gau“. In Ihrem Kommentar, liebe Frau Schmidt, muss sogar das Vaterunser herhalten, um Ihrer Argumentation die nötige Prise Polemik zu verleihen.
Um bei den Tatsachen zu bleiben, befanden sich die Zahlen der Neuinfektionen pro Woche im Oktober in Italien mit denen in Deutschland Kopf an Kopf, wie Sie als Journalistin mit guter Recherchearbeit leicht in den wöchentlichen Berichten der WHO nachvollziehen können. Dass die Reise der Behindertenseelsorge dennoch stattgefunden hat, war ein Risiko, das offenbar unterschätzt wurde. Nachträgliche Schuldzuweisungen nutzen hier niemandem, am wenigsten den Erkrankten.
Aber auch das große Interesse, das plötzlich an einer Reiseveranstaltung für beeinträchtige Menschen erwacht ist, muss nachdenklich stimmen. Als Eltern autistischer Kinder sind wir dieses Interesse in keiner Weise gewohnt. Tatsächlich gibt es in der ganzen Region kaum Freizeit-Angebote für Menschen mit Beeinträchtigung. Ferienangebote für Kinder richten sich an alle, nicht aber an behinderte Kinder. Von organisierten Reisen wagen wir gar nicht zu träumen.
Fest steht: Als nach dem Lockdown im Frühjahr die ersten Deutschen wieder an Spaniens Stränden lagen, blieben die Förderschulen noch bis Anfang September geschlossen.
Als Autismus Rheinhessen e.V. wissen wir, dass das Engagement von Pfarrer Helmut Bellinger für unsere Mitmenschen mit Behinderung seinesgleichen sucht. Schließlich ist auch er selbst am Virus erkrankt – eine logische Folge für jemanden, der stets die Nähe und das Miteinander sucht. Daher wünschen wir ihm und allen noch Erkrankten alles Gute und rasche Genesung!
Von der AZ aber wünschen wir uns einen respektvolleren Umgang mit tragischen Ereignissen wie denen aus dem Bistum Mainz.
Darüber hinaus wäre es eine überaus positive Wendung, wenn sich das neu erwachte öffentliche Interesse an den Aktivitäten des Bistums auch auf die Frage erstrecken würde, wie es um die Zukunft der Behindertenseelsorge bestellt ist.
Gwendolyn Mayer & Susanne Behne im Namen von Autismus Rheinhessen e.V.