Der Besucherandrang von mehr als 80 interessierten Eltern, Pädagogen und anderen Fachkräften hat uns bestätigt: Das Interesse am Thema Autismus und schulische Inklusion ist ungebrochen. Chancen, Möglichkeiten und Grenzen von und für unsere autistischen Kinder in der aktuellen Schullandschaft auszuloten – so lautete das stolze Ziel der Informationsveranstaltung am 24. März im Mehrgenerationenhaus Ingelheim. Dabei haben uns kompetente Gesprächspartnerinnen wortreich unterstützt: Mit dabei waren Frau Tanja Besant-Appel von der Elisabethenschule in Sprendlingen, Frau Gerlinde Klemm von der Grundschule am Martinsberg in Siefersheim, Frau Eva Mondorf-Dewein, Beraterin für Integration/Inklusion der ADD Neustadt sowie Frau Claudia Pilger, erste Vorsitzende des Vereins PRO Förderschule e.V.
Da alle Teilnehmerinnen letztlich auf einer Seite standen, nämlich auf der unserer autistischen Kinder, verlief die Diskussion harmonisch. Jede brachte ihre eigene Perspektive aus ihrer Praxis ein, was zu einem vielseitigen Bild beigetragen hat. Für ein Fazit in Sachen Inklusion ist es bestimmt zu früh, Fakt ist aber, dass die Möglichkeiten für unsere autistischen Kinder stark vom Engagement einzelner Lehrkräfte und der Eltern abhängig sind.
Dank zahlreicher Zuschriften von betroffenen Eltern in den Wochen der Vorbereitung konnten wir auf eine Fülle berührender Erfahrungsberichte zugreifen, die letztlich das bestätigt haben, was wir längst wissen: Das autistische Spektrum ist riesig und kann nicht über einen Kamm geschoren werden. Unsere Kinder besuchen jede denkbare Schulform von Förderschulen bis hin zu Gymnasien/IGS jeweils mit oder ohne Integrationskräfte. Gemeinsam haben die Erfahrungen nur eines: Inklusion „mit Gewalt“ funktioniert nicht. Mit viel Geduld schon eher. Aber dafür ist Unterstützung nötig.
Bereits der Übergang vom Kindergarten in die Schule verläuft selten reibungslos: Haben Eltern doch eigentlich ein „Elternwahlrecht“ in Rheinland-Pfalz, so scheitert dieses in der Praxis zum Teil an den ernüchternden Gegebenheiten („wir nehmen aber nur ein I-Kraft-Kind pro Klasse auf. Versuchen Sie es doch woanders!“) und an schlecht informierten Institutionen („Wir kennen uns hier nur mit Lernbehinderungen aus“).
Dass immer nur die Politik „an allem Schuld“ ist, widerlegte Frau Kreisbeigeordnete Dorothea Schäfer, die darlegte, wie schwierig es ist schon im Kindergartenbereich rechtzeitig für bedarfsdeckende und qualifizierte inklusive Einrichtungen zu sorgen.
Doch der Abend hat uns gezeigt: Es gibt auch viele kleine Erfolgsgeschichten zu berichten. Eltern sind die besten Experten für ihre Kinder und werden in der Schulwahl häufig bestätigt, auch wenn sie diese mitunter durchsetzen müssen. Positiv berichteten Eltern auch über das große Engagement der Integrationskräfte. Der Weg zur Bewilligung angemessener Hilfen ist allerdings oftmals steinig und wird von den Kreisverwaltungen sehr unterschiedlich gehandhabt. Ein großes Problem ist, dass die Behördern sich nur bei eindeutigen Diagnosen zuständig fühlen. So werden Kinder mit frühkindlichem Autismus i.d.R. vom Sozialamt betreut, Kinder mit atypischem Autismus oder dem Asperger-Syndrom vom Jugendamt. Erschwerend kommt hinzu, dass die Diagnosestellung zum Zeitpunkt der Einschulung zuweilen noch gar nicht abgeschlossen ist, die Umgebung dann mit wenig Sachkenntnis reagiert und die Informationsflüsse nur schleppend in Gang kommen.
Als Elternkreis fordern wir von der Politik: Wir benötigen verlässliche Standards für die Beschulung autistischer Kinder und eine flächendeckende Informationsstruktur, auf die alle Beteiligten zugreifen können. Erst dann rückt Inklusion in greifbare Nähe. Wir brauchen gut ausgestattete Förder- und Schwerpunktschulen genauso wie Regelschulen mit geschulten Lehrkräften und eine ideologiefreie Diskussion über die Zukunft unserer Schullandschaft. Von dieser Inklusion in der Vielfalt werden letztlich auch Kinder ohne Autismus profitieren.