Vortrag von Autorin Dr. Christine Preißmann im MGH Ingelheim

Schon zu Beginn ihres Abends im Mehrgenerationenhaus  am 26. Februar 2016 widerlegte die Referentin Dr. Christine Preißmann einige der Klischees, die Menschen mit Autismus anhaften: Ohne Scheu wandte sie sich an die große Zahl der Gäste und lieferte in den folgenden zwei Stunden nicht nur Fachwissen, sondern auch ganz persönliche Einblicke in ihre Gefühlswelt als selbst vom Asperger-Syndrom betroffene Frau.

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Referentin Dr. Christine Preißmann (li) und das  Organisations-Team nach der Veranstaltung

Rund 100 Teilnehmer waren der Einladung des Elternkreises Autismus Rheinhessen zum Vortragsabend gefolgt – etwa ein Drittel von ihnen Fachkräfte und mehr als zwei Drittel Angehörige von Menschen mit Autismus beziehungsweise selbst Betroffene. Diese unterschiedlichen Gruppen im Publikum kamen alle auf ihre Kosten: In ihrem kurzweiligen Vortrag und auch im anschließenden Dialog mit den Zuhörern verknüpfte die Ärztin und Psychotherapeutin informative Fakten rund um das Thema Autismus mit konkreten Tipps zur Unterstützung autistischer Menschen in Alltag, Schule und Beruf sowie mit ihren eigenen Erfahrungen. Die Offenheit, mit der sie auch über die traurigen Seiten ihres Daseins sprach, berührte die Zuhörer tief. Zugleich zeigte sich die Referentin aber auch von ihrer humorvollen Seite und illustrierte typische autistische Denkstrukturen mit – im Nachhinein – witzigen Anekdoten aus ihrem Alltag, wie zum Beispiel der missverstandenen Redewendung von den „hochgeklappten Bürgersteigen“, der sie völlig ratlos bei einem Aufenthalt in der ländlichen Eifel begegnete.

In beeindruckender Weise zieht Christine Preißmann aus ihrem Erleben die Motivation für ihr heutiges Engagement, über Autismus zu informieren und somit die Rahmenbedingungen für Betroffene zu verbessern. Und sie zeigt sich optimistisch in Bezug auf die Chancen heute junger Menschen mit Autismus: Während sie etwa als Jugendliche – damals noch ohne Asperger-Diagnose – aufgrund psychosomatisch bedingter Knieschmerzen vom Sportunterricht und den Pausen im Schulhof befreit wurde, profitieren betroffene Schüler heute, vor dem Hintergrund besserer Diagnosemöglichkeiten und dem Recht auf Inklusion, vom Nachteilsausgleich: Sie erhalten die gleichen Erleichterungen wie die Referentin einst – aber ganz ohne Schmerzen durchleiden zu müssen.

Ein zentraler Gedanke ihres Vortrags, der auch den Kern ihres neuesten Buches (s.u.) darstellt, lautet: Die Lebensmodelle, die Menschen mit Autismus Glück und Lebenszufriedenheit bieten, sind so individuell wie die betroffenen Menschen selbst. Daran sollten sich die jeweiligen Berufswege, aber auch Therapien und Freizeitgestaltung orientieren. Auch dies ein Gedanke, den Christine Preißmann mit Berichten anderer Autisten und ihren eigenen Erfahrungen anschaulich illustrierte.

Zum Schluss gab die Referentin einen wieder ganz persönlichen Ausblick: „Es wird niemals wirklich leicht werden. Aber vielleicht gelingt es mir eines Tages, meinen eigenen Weg zu finden und ihn trotz aller Widerstände zu gehen. Das wünsche ich mir sehr.“

Wir wünschen Dr. Christine Preißmann dabei viel Glück und Erfolg und danken ihr sehr herzlich für diesen tollen Abend!

Buchtipp: Dr. Christine Preißmann: Glück und Lebenszufriedenheit für Menschen mit Autismus, Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart 2015. 184 Seiten, 25,- Euro

Claudia Sporn

Fachliche und persönliche Einblicke in den Alltag mit Autismus